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NÖ Ärztekammer spricht sich gegen überlange Arbeitszeiten bei Spitalsärzten aus

Presseinformation vom 12. Mai 2021

Längere Arbeitszeiten lösen längerfristig weder Strukturprobleme noch den Ärztemangel

Die beiden Regierungsparteien haben gestern im Sozialausschuss den Antrag eingebracht, dass Spitalsärztinnen und Spitalsärzte auch künftig freiwillig bis zu durchschnittlich 55 Stunden pro Woche arbeiten dürfen. Eigentlich hätte die entsprechende Regelung mit Ende Juni auslaufen sollen, 48 Stunden pro Woche wären dann ab Anfang Juli im Durchschnitt erlaubt gewesen. Nun wünscht sich die Politik, dass die verlängerten Arbeitszeiten für weitere vier Jahre möglich sind. OA Dr. Ronald Gallob, Vizepräsident und Kurienobmann der angestellten Ärzte, kommentiert diesen Umstand so: „Nachdem weder die Patientinnen und Patienten in den Spitälern mit Ende Juni plötzlich weniger, noch die Ärztinnen und Ärzte plötzlich mehr werden, wird aus dem ‚länger arbeiten dürfen‘ wohl ein ‚länger arbeiten müssen‘ werden. Wer sonst soll all die kranken und verletzten Menschen im Spital betreuen? Ich bezweifle, dass diese Freiwilligkeit im Umkehrschluss auch heißt, dass alle, die gerne nur 35 Stunden arbeiten würden, dies auch jederzeit dürfen. Das Land Niederösterreich, das in unserem Bundesland alle Krankenhäuser betreibt, hat es selbst nach 20 Jahren nicht geschafft, den Personalmangel in den Griff zu bekommen und zeitgerecht entsprechende Lösungen umzusetzen. Dafür wären nämlich Veränderungen der Strukturen nötig, auf die wir bis heute warten. Kommt es nun zur Verlängerung der Legalisierung dieser langen Arbeitszeiten, sollen die Spitalsärztinnen und Spitalsärzte die Folgen für dieses Versäumnis tragen.“

In einer Zeit, in der die Arbeitswelt über eine 35-Stundenwoche diskutiert, wird von der Ärzteschaft eine Arbeitszeit von durchschnittlich 55 Stunden pro Woche erwartet. Dies sieht auch der Präsident der NÖ Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, MSc, problematisch: „Jeder Mensch kann nur eine gewisse Zeitspanne so eine qualitativ hochwertige Arbeit leisten, wie sie die ärztliche Tätigkeit erfordert. Auch Ärztinnen und Ärzte stoßen irgendwann an ihre Kapazitätsgrenzen. Höchste Arbeitsqualität kann nicht unendlich lange aufrechterhalten werden. Nicht ohne Grund hat die EU daher Vorgaben zur schrittweisen Senkung der Arbeitszeit im Spitalsbereich gemacht. Dass Österreich am Zwischenziel 48 Stunden durchschnittliche Arbeitszeit nicht nur stoppt, sondern eine Kehrtwende macht, ist der Beweis, dass eine kluge durchgehende Gesundheitsorganisation noch lange nicht erreicht ist.“