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Verschwiegenheits-, Anzeige- und Meldepflicht (§ 54 Ärztegesetz)

Stand: September 2023

Verschwiegenheitspflicht

Ärzt:innen samt Hilfspersonen sind zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet.

Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht wenn:

1. nach gesetzlichen Vorschriften eine Meldung der Ärzt:innen über den Gesundheitszustand bestimmter Personen vorgeschrieben ist,

2. Mitteilungen oder Befunde der Ärzt:innen an die Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten oder sonstigen Kostenträger in dem Umfang, als dies für die Empfänger:innen zur Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bildet, erforderlich sind,

3. die durch die Offenbarung des Geheimnisses bedrohte Person die Ärzt:innen von der Geheimhaltung entbunden hat,

4. die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen

a) der öffentlichen Gesundheitspflege,

b) der Rechtspflege oder

c) von einwilligungsunfähigen Patient:innen im Zusammenhang mit der Bereitstellung der für die Behandlungskontinuität unerlässlichen Eckdaten gegenüber den mit der Pflege betrauten Personen

unbedingt erforderlich ist,

5. die Offenbarung des Geheimnisses gegenüber anderen Ärzt:innen und Krankenanstalten zur Aufklärung eines Verdachts einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß Abs. 4 Z 2 und zum Wohl der Kinder oder Jugendlichen erforderlich ist,

6. die Ärzt:innen der Anzeigepflicht gemäß Abs. 4 oder der Mitteilungspflicht gemäß § 37 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 (B-KJHG 2013), BGBl. I Nr. 69/2013, nachkommt.

 

Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch insoweit nicht, als die für die Honorar- oder Medikamentenabrechnung gegenüber den Krankenversicherungsträgern, Krankenanstalten, sonstigen Kostenträgern oder Patienten erforderlichen Unterlagen zum Zweck der Abrechnung, auch im automationsunterstützten Verfahren, Auftragsverarbeitern gemäß Art. 4 Z 8 Datenschutz-Grundverordnung überlassen werden. Eine allfällige Speicherung darf nur so erfolgen, dass Betroffene weder bestimmt werden können noch mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmbar sind. Diese Daten sind ausschließlich mit Zustimmung des Verantwortlichen gemäß Art. 4 Z 7 Datenschutz-Grundverordnung an die zuständige Ärztekammer über deren Verlangen weiterzugeben.

Anzeigepflicht

Die Ärzt:innen ist zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft verpflichtet, wenn sich in Ausübung der beruflichen Tätigkeit der begründete Verdacht ergibt, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung

1. der Tod, eine schwere Körperverletzung oder eine Vergewaltigung herbeigeführt wurde oder

2. Kinder oder Jugendliche misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind. Die Anzeige kann unterbleiben, wenn sich der Verdacht gegen einen Angehörigen (§ 72 StGB) richtet, sofern dies das Wohl des Kindes oder Jugendlichen erfordert und eine Mitteilung an die Kinder- und Jugendhilfeträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt. In den Fällen einer vorsätzlich begangenen schweren Körperverletzung hat die Ärztin/der Arzt auf bestehende Opferschutzeinrichtungen hinzuweisen

oder

3. nicht handlungs- oder entscheidungsfähige oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlose Volljährige misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind.

 

Die Anzeigepflicht besteht nicht, wenn

1. die Anzeige dem ausdrücklichen Willen der volljährigen handlungs- oder entscheidungsfähigen Patient:innen widersprechen würde, sofern keine unmittelbare Gefahr für die Patient:innen oder eine andere Person besteht und die klinisch-forensischen Spuren ärztlich gesichert sind, oder

2. die Anzeige im konkreten Fall die berufliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, sofern nicht eine unmittelbare Gefahr für diese oder eine andere Person besteht, oder

3. die Ärztin/der Arzt, die ihre/der seine berufliche Tätigkeit im Dienstverhältnis ausübt, eine entsprechende Meldung an den Dienstgeber erstattet hat und durch diesen eine Anzeige an die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt ist.

 

Achtung: Liegen diese Voraussetzungen der Anzeigepflicht nicht vor, ist - selbst auf Verlangen von Sicherheitsbehörden bzw. -organen - keine Verletzungsanzeige erforderlich.

 

Definitionen:

Schwere Körperverletzung:

Eine schwere Körperverletzung liegt nach § 84 Abs. 1 Strafgesetzbuch (BGBl. Nr. 60/1974 idgF) vor, wenn

  1. die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge hat oder
  2. die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer ist.

 

An sich schwere Körperverletzungen sind insbesondere Brüche von Knochen, Gehirnerschütterungen, besonders schmerzhafte Verletzungen oder solche, bei denen Heilungsverlauf bzw. -aussichten längere Zeit ungewiss sind.

In den Fällen einer vorsätzlich begangenen schweren Körperverletzung hat der Arzt auf bestehende Opferschutzeinrichtungen hinzuweisen. 

 

Angehöriger:

Laut § 72 Strafgesetzbuch (BGBl. Nr. 60/1974 idgF) sind unter Angehörigen einer Person sind ihre Verwandten und Verschwägerten in gerader Linie, ihr Ehegatte oder eingetragener Partner und die Geschwister des Ehegatten oder eingetragenen Partners, ihre Geschwister und deren Ehegatten oder eingetragene Partner, Kinder und Enkel, die Geschwister ihrer Eltern und Großeltern, ihre Vettern und Basen, der Vater oder die Mutter ihres Kindes, ihre Wahl- und Pflegeeltern, ihre Wahl- und Pflegekinder, sowie Personen, über die ihnen die Obsorge zusteht oder unter deren Obsorge sie stehen, zu verstehen.

Personen, die miteinander in Lebensgemeinschaft leben, werden wie Angehörige behandelt, Kinder und Enkel einer von ihnen werden wie Angehörige auch der anderen behandelt

 

Stand: September 2023