Seit 1. Jänner 2022 ist das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG) in Kraft. Damit besteht für Personen, die volljährig und entscheidungsfähig sind, und an einer unheilbaren, zum Tode führenden oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit leiden, die gesetzliche Möglichkeit, ihr Leben nach einem freien und selbstbestimmten Entschluss zu beenden. Das Gesetz sieht dabei auch die Mitwirkung von zwei Ärztinnen bzw. Ärzten - davon eine Ärztin bzw. ein Arzt mit palliativmedizinischer Qualifikation - vor.

Überblick über das Sterbeverfügungsgesetz (StVfG) – assistierter Suizid

1. Hintergrund

  • Seit 1. Jänner 2022 in Kraft (BGBl. I Nr. 242/2021)
  • Ausgangspunkt: Erkenntnis des VfGH vom 11.12.2020 (G139/2019), das das absolute Verbot der Suizidassistenz aufgehoben hat.
  • Ziel: Selbstbestimmtes Sterben ermöglichen und gleichzeitig Missbrauch verhindern

2. Voraussetzungen für eine Sterbeverfügung

Eine Sterbeverfügung kann nur errichtet werden, wenn die betroffene Person:

  • volljährig (ab 18 Jahren) und entscheidungsfähig ist,
  • ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich oder die österreichische Staatsangehörigkeit hat,
  • an einer
    • unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder
    • an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leidet, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen 

Die Krankheit muss für die betroffene Person einen nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen.

3. Ärztliche Aufklärung

Vor der Errichtung einer Sterbeverfügung braucht es:

  • zwei unabhängige ärztliche Aufklärungsgespräche, eines davon durch eine Ärztin bzw. einen Arzt mit palliativmedizinischer Qualifikation (Spezialisierung in Palliativmedizin gemäß ÖÄK-Verordnung über Spezialisierungen oder ÖÄK-Diplom Palliativmedizin gemäß ÖÄK-Verordnung über ärztliche Weiterbildung),
  • eine ärztliche Bestätigung der Entscheidungsfähigkeit und dass der Entschluss frei und selbstbestimmt getroffen wurde durch beide aufklärenden Ärztinnen und Ärzte,
  • einen Hinweis auf Behandlungs- oder Handlungsalternativen (Palliativversorgung, Hospiz), Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht,
  • bei Verdacht auf psychische Erkrankung: eine verpflichtende psychiatrische/psychologische Abklärung,
  • eine Aufklärung über die Dosierung des Präparats und die für die Verträglichkeit des Präparats notwendige Begleitmedikation,
  • eine Aufklärung über die Art der Einnahme des Präparats, Auswirkungen und mögliche Komplikationen bei der Einnahme des Präparats und darüber, dass mit einer Patientenverfügung lebensrettende Behandlungen abgelehnt werden können,
  • einen Hinweis auf konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch sowie für suizidpräventive Beratung, und
  • einen Hinweis auf allfällige weitere im konkreten Fall zielführende Beratungsangebote.

Weitere Informationen zur Aufklärung:

  • Über die Aufklärung und Entscheidungsfähigkeit ist eine ärztliche Bestätigung auszustellen, diese Bestätigung wird Teil der Unterlagen, die die Notarin bzw. der Notar oder die Patientenanwaltschaft zur Registereintragung verwendet.
  • Optional können die aufklärenden Ärztinnen und Ärzte die Aufklärung auch im Sterbeverfügungsregister erfassen.
  • Für die Abwicklung der Aufklärung empfehlen wir folgenden Aufklärungsbogen
  • Der Empfehlungstarif für die Aufklärung beträgt EUR 160,- pro angefangene halbe Stunde.
  • Liste jener Ärztinnen und Ärzte in Niederösterreich, die sich bereit erklärt haben, eine Aufklärung nach dem StVG durchzuführen
    Link: Ärzt:innenliste für Aufklärung nach dem Sterbeverfügungsgesetz

 

4. Abgrenzung: Aufklärende Ärztinnen und Ärzte vs. Hilfeleistende Ärztinnen und Ärzte 

  • Aufklärende Ärztinnen und Ärzte (§ 7 StVfG)
    • führen das gesetzlich vorgeschriebene ärztliche Gespräch,
    • prüfen die Entscheidungsfähigkeit und Selbstbestimmtheit,
    • klären über Krankheitsbild, Prognose und Alternativen auf,
    • dokumentieren und bestätigen die Ergebnisse.
    • Dürfen später nicht als hilfeleistende Ärztin oder Arzt tätig werden (§6 StfVfG).
  • Hilfeleistende Ärztinnen und Ärzte (im Rahmen der Einnahme)
    • können Patientinnen und Patienten beim Vollzug unterstützen,
    • dürfen vorbereiten (z. B. Zugang legen, Präparat bereitstellen),
    • dürfen beim seelischen und medizinischen Beistand helfen,
    • dürfen aber nicht die tödliche Substanz selbst verabreichen, letzter Schritt immer durch die Patientin bzw. den Patienten.
    • Dürfen nicht zugleich Aufklärungsarzt/Aufklärungsärztin sein.
  • Ärztinnen und Ärzte sind zur Mitwirkung nicht verpflichtet; jede Beteiligung ist freiwillig.

 

5. Ablauf der Errichtung

  1. Zwei ärztliche Aufklärungen und Ausstellung der Bestätigung darüber.
  2. Wartefrist:
    • 12 Wochen ab der ersten ärztlichen Aufklärung,
    • verkürzt auf 2 Wochen bei terminaler Phase (Tod < 6 Monate).
  • Jede selbständig berufsberechtigte Ärztin bzw. jeder Arzt darf die terminale Phase bestätigen.
  1. Errichtung vor Notarin bzw. Notar oder Patientenanwältin bzw. -anwalt, mit rechtlicher Beratung.
  2. Eintrag ins Sterbeverfügungsregister durch Notarin bzw. Notar oder Patientenanwältin.

 

6. Präparat

  • Gesetzlich festgelegt: Natrium-Pentobarbital
  • Einnahme oral, über PEG-Sonde oder i.v. – letzter Schritt durch Patientin bzw. Patient
  • Abgabe nur über öffentliche Apotheken. Ein gesondertes Rezept ist nicht erforderlich. Die Abgabe erfolgt auf Grundlage der eingetragenen Sterbeverfügung.
  • Die Apothekerkammer hat die Information über die abgebenden Apotheken an die errichtende Patientenanwaltschaft bzw. die Notarin oder den Notar zur Verfügung zu stellen.
  • Notwendige Begleitmedikation (z.B. Metoclopramid)
  • Für die notwendige Begleitmedikation ist eine ärztliche Verordnung erforderlich. 

 

7. Gültigkeit und Widerruf

  • Eine Sterbeverfügung gilt (nach derzeitiger Rechtslage) 1 Jahr, danach Erneuerung.
  • Widerruf jederzeit möglich (auch stillschweigend, z.B. Vernichtung des Dokuments)
  • Der Verfassungsgerichtshof hat 2024 die strikte Jahresbefristung der Gültigkeit einer Sterbeverfügung aufgehoben; Übergangsfrist bis 31. Mai 2026. Allerdings gilt: Wird eine Sterbeverfügung nicht innerhalb eines Jahres nach der zweiten ärztlichen Aufklärung errichtet, so muss die sterbewillige Person eine neuerliche ärztliche Bestätigung über die Entscheidungsfähigkeit sowie über den freien und selbstbestimmten Entschluss einholen.

 

8. Zusätzliche Meldungen und Dokumentation

 

9. Strafrechtliche Abgrenzungen

  • Erlaubt: Unterstützung im Rahmen des StVfG (z.B. Zugang legen, Präparat bereitstellen)
  • Strafbar
    • Verabreichung durch Ärztin bzw. Arzt (= Tötung auf Verlangen, § 77 StGB),
    • Verleitung zum Suizid (§ 78 StGB)

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